Amische und Täufer zu Besuch in Steffisburg

Am 10. Juli 2003 besuchte eine Reisegruppe von Amischen und Täufern die Dorfkirche Steffisburg. Ihr Interesse galt ganz speziell der Mosestafel in der Kirche. Nicht die 10 Gebote, sondern die Namen und Wappen interessierten die Gäste ganz speziell. Die Mosestafel ist datiert aus dem Jahr 1682, also ein Jahr nach dem Umbau der Dorfkirche in eine einschiffige Basilika. Auf der Mosestafel sind mit Namen und Wappen die Familien erwähnt mit dem damaligen Pfarrer Freudenreich, die den Umbau der Kirche namhaft unterstützt hatten. Und interessanterweise tragen viele Amische und Täufer in Amerika noch heute grad diese Namen. Das heisst, dass aus diesen Familien auch radikalere Formen des Christseins entstanden.

Die Amischen und Täufer wurden in der Schweiz immer mehr verfolgt, verjagt, auch im Schloss Thun gehängt oder im Fluss ersäuft. Einige Bauten aus dieser Zeit - so das Pfarrhaus bei der Dorfkirche Steffisburg und die Kirche Schwarzenegg - stammen von Geld, das man den Täufern abgenommen hatte. Sie lehrten die Wiedertaufe und die Verweigerung des Militärdienstes. Mehr oder weniger freiwillig traten viele von Ihnen dann die Flucht nach Amerika an.

Die Teilnehmer der Pilgergruppe aus Amerika hatten hiesige Vorfahren. Die Amischen waren dazu mit dem Schiff angereist, während die Täufer per Flugzeug nach London anreisten. Von dort aus war die Gruppe gemeinsam unterwegs.

 

Ab einer Liste werden hier die Familennamen der Täufer und
Amischen verlesen. Fast alle diese Namen sind in unserer Gegend
bestens bekannt, was ihre hiesige Verwurzelung bestätigt.

 

Links die Gäste, rechts sind einige Einheimische zu sehen,
so auch Schwester Alice, ganz rechts.

 

Der Führer der Reisegruppe erklärt die Mosestafel.
 

 

Begegnung zwischen Einheimischen und Gästen.



 

 

Die Gäste lauschen dem Orgelspiel von Pfr. Hans Rentsch.



Die Präsidentin des Kirchgemeinderats von Steffisburg, Elisabeth
Recher, erhielt als Erinnerung einen Kalender der Amischen.

 

 

Die Reise der amerikanischen Gäste zu ihren Wurzeln geht weiter.

 




 

 

 

 

 

 

 

 

Texte, Fotos und Zusammenstellung der Links: Max Gasser




Besuch von Amischen und Mennoniten
in Steffisburg

Am 10. Juli 2003 besuchte eine Reisegruppe von 32 Personen die Dorfkirche Steffisburg. Organisiert war die Reise von „Goodly Heritage Tours“, 4324 SR 39, Millersburg, OH 44654.

„Goodly Heritage Tours“ organisiert Reisen zu den historischen und geographischen Herkunftsorten der Vorfahren, den geistigen Wurzeln der Reiseteilnehmer in die Schweiz, nach Steffisburg, Oberdiessbach, Schwarzenegg, Eriz, das Emmental, das Berner Oberland etc.

Die Gruppe setzte sich aus zirka 20 „echten Amischen“, dazu Mennoniten und wenigen Anderen zusammen. Die Amischen starteten am 25. Juni mit dem Schiff Queen Elizabeth und fuhren nach South Hampton, England. Die Mennoniten und die Restlichen flogen nach London. Von dort aus waren sie mit dem Bus unterwegs. Zur Gruppe gehörte auch David V. Müller, Amisch-Prediger, und seine Frau Anna Müller, 8123 Pettis Road, Meadville, Pennsilvania, USA 16335.

Anwesend war in der Dorfkirche auch eine Gruppe hiesiger Leute aus der Kirchgemeinde, z.T. mit den gleichen Namen wie die ausgewanderten Amischen (Rupp, Kunz, Streit und andere). Mit dabei waren auch Alice Matti (Sister Alice), Elisabeth Recher (Präsidentin des Kirchgemeinderates), Max Gasser (theologisch-diakonischer Mitarbeiter der Kirchgemeinde) und Hans Rentsch (Pfarrer in Steffisburg).

 

 

In der Steffisburger Dorfkirche nahm Herr Beachy Bezug auf die grosse Gebotstafel von 1682, die diverse Familienwappen und –namen enthält; dieser Gebotstafel galt sein Hauptinteresse. Er erläuterte, dass die Amischen in Nordamerika, deren Vorfahren ab 1720 während ca. 150 Jahren infolge der Verfolgung nach Amerika auswanderten, ihre Wurzeln in der Region zwischen Schwarzenegg – Steffisburg, Schwarzenburg, Münsingen haben, was speziell für die anwesenden Besucherinnen und Besucher gelte.

Um 1670 seien in der Region Steffisburg innerhalb von 12 Jahren 200 Familien aus der reformierten Kirche zu den Täufern übergetreten, unter anderem durch die Predigt des Jakob Ammann, von dem der Name „Amische“ stamme. Unter den anwesenden Amischen war der Geschlechtsname Miller mehrfach vertreten. Ihr Vorfahre ist ein Ulrich Müller, der wegen seinen Predigten ins Gefängnis musste; aber nach der Entlassung weiter gepredigt habe.

Alle auf der Steffisburger Gebotstafel erwähnten Namen der Familien waren von Übertritten zur neuen Bewegung der Täufer betroffen. Auf der Gebotstafel in der Wappenreihe am unteren Rand ist ein Christen Güngerich aufgeführt; was bezeugt, dass er 1682 reformiertes Gemeindeglied war. Aber 1692 ist er in den Urkunden dann als Prediger der neuen Bewegung erwähnt. Herr Beachy bezeichnete ihn als „ancestor“, als Vorfahre und geistigen Vater fast aller Anwesenden.


Ausschnitt aus der Mosestafel. Links das Wappen von Jost Joder, rechts dasjenige von Christen Güngerich.


Zu den Wiedertäufern zu gehören, war damals gefährlich; die Regierung büsste die Ungehorsamen und nahm ihnen zum Teil all ihr Hab und Gut weg. Zu dieser Zeit war Pfarrer Hans Jakob Freudenreich Ortspfarrer in Steffisburg (geboren 1639, gestorben 1711, siehe Grabplatte an der Nordwand unter der Empore).

 

Ausschnitt aus der Mosestafel.

Er lebte offenbar in grosser Spannung zwischen der Regierung und den Wiedertäufern. Er kannte die übergetretenen Familien, hatte deren Kinder getauft und mit ihnen in der Gemeinde zusammengearbeitet. Er war nicht so streng und versuchte zu vermitteln.

Aufgrund der Missstände in der damaligen Kirche habe Zwingeli eingeführt, dass alle Kinder lesen lernten und die Menschen zum Kirchgang angehalten wurden. Darüber hatten auch in Steffisburg die Chorrichter zu wachen. Der auf der Gebotstafel unten aufgeführte Jost Joder sei Chorrichter gewesen; er habe 12 Kinder gehabt, 7 davon seien zu den Wiedertäufern übergetreten. Er und zwei andere Chorrichter wurden von der Regierung beschuldigt, sie erfüllten ihren Auftrag nicht. Darum wurden sie nach Bern beordert und mussten im teuersten Hotel übernachten, bis alle Kinder zur Schule gingen und die Gottesdienste besuchten.

Anlässlich ihrer letzten Reise von "Goodly Heritage Tours“, habe ihnen ein Mann in Schwarzenegg erklärt, die dortige Kirche sei mit Geld gebaut worden, das man den Täufern „gestohlen“ habe. Das heisst wohl, dass sie wegen ihres Glaubens und Fernbleibens von der Kirche durch die Berner Regierung gebüsst wurden und so ihr Geld für den Kirchenbau eingesetzt wurde.

Manuskript: Hans Rentsch, Bearbeitung: Max Gasser

 

Erwähnte Namen auf der Gebotstafel

Herr Friedrich von Graffenried, Schulheiss zu Thun
Hans Jacob Freudenrÿch, Predicant allhier zu Steffisburg
Hr. Hans Rudolf Gaugler, Landschreiber
Die 18 Mann und Beide Gricht:

linker Rand
Matthias Berger, Statthalter
Hans Blanck, Seckelmeister des Lands
Christen Imhoff
Hans Rüegsegger
Vinzentz Stauffer
Niclaus Gerber
Caspar Joder
Peter Meÿer
Peter Linder

rechter Rand
Andres Maire
Christen Spring
Ulrich Farni
Hans Lehmann
Peter Stägmann
Petter Gerber
Hans Stauffer, Weibel

unterer Rand
Hans Jenni
Ulrich Stücker
Jost Joder
Matthys Zoug
Peter Blanck, Obmann…..
Jacob Schneitter, Seckelmeister
Peter Farni

Peter Marti oder Peter Earli? (siehe Foto)
Christen Güngerich

Ferner
Herr Heinrich Koch zu Thun im Raht hat... (?)

Christen Stucki wird genannt,
Der geführt mit seiner Hand
Alle mahler arbeit aus,
Die man sicht in disem Haus.

 


 

Buchtipp:

TitelbildZimmermann, Katharina
Die Furgge

255 S.. 427 g. 2001. 5. A.. BZ-Bestellnr. 5488710 ISBN:
3-7296-0321-3 EAN: 9783729603219 Gebunden. CHF 39.00
Verlag: Zytglogge
 

 
Zusammenfassung
Anna Bloch-von Siebenthal, eine im Zürcher Musikermilieu lebende Berner Cellistin, zieht sich ins Kemmeribodenbad an den Fuß der Furgge (Hohgant) zurück. Durch eine zufällige Ferienlektüre und beim Durchstöbern alter Schriften stößt sie auf die Gemeinschaft der altevangelischen Täufer, die vor dreihundert Jahren im Emmental eine große Anhängerschaft besaß und von der Regierung verfolgt wurde.
Annas Interesse gilt einer jungen Frau aus dem Schangnau, Madleni Schilt, die mit siebenunddreißig Jahren von der Obrigkeit verhaftet und lebenslänglich eingesperrt wurde. Den trockenen Bericht, den Anna zu lesen bekommt, setzt sie um in Bilder aus dem Leben der Madleni Schilt. Es entstehen neun Episoden, die den Wandel des unkritischen Bauernmädchens zur überzeugten Täuferin darstellen. Hineinverwoben werden die Schicksale anderer Täuferfamilien, die ihres Glaubens wegen aus dem hinteren Emmental vertrieben worden waren.
Je mehr sich Anna Bloch mit den Verfolgungen des ausgehenden 17. Jahrhunderts beschäftigt, desto unheimlicher wird ihr das vertraute alte Bern. Zugleich empfindet sie eine steigende Achtung vor jenen einfachen Bauern, die sich durch die Gnädigen Herren nicht zum Kriegsdienst zwingen ließen, eine Achtung auch vor ihren Frauen, die bereit waren, für ihre Überzeugung ins Gefängnis zu gehen. Der Respekt vor diesen Leuten, der Einblick in die historischen Wahrheiten, führen zu einer Art Vermächtnis, das in Anna neue Kräfte freimacht.